Es heißt, man vergisst nie die Gesichter derjenigen, die man ermordet hat. In jedem Buch, in jedem Film, in jeder Geschichte wird erzählt, die Opfer verfolgten einen, besonders in der Nacht.

Er versuchte, seine Stimme besonders tief und volltönend klingen zu lassen, als wäre der Erzähler eines Film noir. Langsam schritt er durch den Raum, blickte ins Nirgendwo und ließ seine Haltung Eloquenz ausstrahlen.

Der Mord an sich nimmt seinen Anfang nicht erst in der Tat, dozierte er weiter, der Beginn ist weit früher. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht gesenkt blickte er schräg nach oben. Er gab seiner Haltung eine lässige Nachdenklichkeit. Der Täter, fuhr er fort, legt den Grundstein seiner Tat noch vor Einstieg in die Planung, noch vor Findung des Opfers, ja noch bevor ihm das Motiv bewusst wird!

Nun hob er den rechten Zeigefinger, seinen Punkt zu unterstützen, auf ihn zu zeigen. Dies war ein wichtiger Durchbruch, eine ewige Wahrheit, pure Weisheit. Es brauchte die gestische Unterstützung des Hinweisens nicht, trotzdem wollte er seine Aussage verstärken. Daher ließ er auch nach Ausklingen seines Satzes die Hand oben und tippte noch ein paar Mal leicht und lässig in die Luft.

Dann ergab er sich wieder dem Anschein der Überlegung, legte den eben noch hinweisenden Finger nun nachdenklich an seine Oberlippe. Er nickte, sich selbst zustimmend.

Der Mörder bildet sich früh heraus. Auch ohne die Tat jemals ausgeführt zu haben, ist er schon als solcher gebrandmarkt. Seine Entwicklung geht zwingend zur Tat hin. Unweigerlich wird der Mörder eines Tages ein Opfer, ein Motiv, eine Gelegenheit finden und diese ergreifen.

Wieder half sein Zeigefinger, wieder wies er auf genau jenen Punkt hin, den er meinte. Fast schon argumentativ untermauerten seine Gestik und seine konzentrierte Mimik seine Dialektik. Er war im Fluss. Er ließ seine Umwelt an seinen Schlüssen und seiner Wahrheit teilhaben. Weisheit, Wahrheit, Erleuchtung.

Wieder pausierte er. Nach außen gab er sich den Anschein des Sinnierens, als dächte er kurz über seinen nächsten Satz nach, als suche er den rechten Anschluss an das vorher dozierte.

Er schaute sich mit nachdenklich platzierten Augenbrauen um, überlegte seine Wirkung, prüfte, ob er vielleicht seine Körpersprache anpassen müsste, ob seine Gestik sparsam genug für das gewichtige Thema war. Seine Mimik, seine Haltung sollte nur den Sinn des gesprochenen Worts unterstützen, sollten nur der Hintergrund, der Soundtrack sein. Der Sinn ist die Handlung, der Protagonist. Nichts dürfe von ihm ablenken, aber trotzdem sollte sein gesamtes Bild ihn überlegen scheinen lassen. Der Sinn ist der Hauptakteur, aber er war der Vater des Sinns, der Schöpfer, er war Gott und der Sinn war sein Wort.